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Process Mining im Klinikalltag
(Teil 1/2)
Process Mining ermöglicht es, Prozesse im Klinikalltag objektiv zu erfassen und zu analysieren. Das schafft eine Entscheidungsgrundlage für die Optimierung von Arbeitsabläufen und damit eine Verbesserung der Versorgungsqualität und Abrechnungseffizienz.
Die zunehmend umfassende digitale Erfassung von Daten des Klinikalltags erlaubt innovativen Datenanalysemethoden wie das Process Mining – erkenntnisschaffende Werkzeuge zur Optimierung von Prozessverläufen. Ihnen zugrunde liegt die Digitalisierung, dank derer Vorgänge im Versorgungsalltag mehr und mehr systemisch abgebildet, umfangreiche Daten strukturiert erhoben und dadurch organisationsweit Potenziale zur ganzheitlichen prozessualen Integration und Harmonisierung eröffnet werden. Diese sind dem Gesundheitswesen bislang weitestgehend unzugänglich, da ein grundlegend geringeres Bewusstsein für die prozessuale Kontextualisierung von Patientenverläufen der Regelfall ist. Eine historisch gewachsene Tendenz, disziplinzentriert zu agieren, und hohe Datenschutzauflagen für hochsensible Patientendaten stehen einer prozessorientierten Zusammenführung von Datenvorkommen verschiedenster Quellen und deren Analyse und Auswertung maßgeblich im Wege. Diese tradierten Hemmnisse werden mit Ausblick auf die Potenziale der Prozessoptimierungen mit Process Mining überwindbar und zeigen in folgenden exemplarischen Anwendungsfällen eine Steigerung der Versorgungsqualität und der Abrechnungseffizienz auf. Eine der zentralen Kennzahlen bei der quantitativen Auswertung der Versorgung ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Patienten. Sie bildet ab, mit welcher Effizienz im Versorgungsalltag vorgegangen wird, und findet Aufnahme in die Evaluation der Qualität sowie in den DRGs.
Effizienz hat mehrere Seiten, die beleuchtet werden müssen
Trotz ihres signifikanten Einflusses ist die Herleitung der Effizienz ausschließlich monokausal und beruht auf der Betrachtung des erfassten Zeitraumes zwischen Aufnahme und Entlassung. Dabei werden weitere Einflussfaktoren vollkommen außen vor gelassen und damit wird eine multikausale Ursachenanalyse unterbunden. Exakt hier setzt Process Mining an und schafft die Erkenntnisgrundlagen zur tiefergehenden Prüfung der bestimmenden Variablen für die Dauer eines Klinikaufenthalts. Die gewonnenen Einblicke in die Gründe für variierende Aufenthaltsdauern sind die Anknüpfungspunkte für
- Prozessoptimierungen,
- zur Steigerung der Versorgungsqualität und
- die Abrechnungseffizienz.
Im konkreten Fall der Versorgung im Zeitraum zwischen Aufnahme und Entlassung finden sich unzählige Prozessvarianten, da eine Mehrheit der Patientenhistorien individuell verläuft. Allerdings erschließen sich mittels ursachenspezifischer Datenaufbereitung und darauf folgender Process-Mining-Analyse Prozessverlaufsmuster, die medizinisch fachliche Rückschlüsse auf deren Entstehung zulassen. Die Folge: Prozesse können in erforderlichem Maß im Sinne der Versorgung und der Patientenzufriedenheit optimiert werden.
Schneller abrechnen
Für den Fall der Abrechnung ermöglicht Process Mining die Identifikation von Faktoren, die bislang eine zeitnahe Rechnungsstellung verhindern. Oftmals zeigt sich bei der Analyse der Zuordnung der erbrachten Leistungen hin zu DRGs, dass einzelne Stationen für die Codierung unterschiedliche Bearbeitungszeiten aufweisen. Bei einer Störung des vorgesehenen Vorgehens zieht dies weiterreichende Verzögerungen des gesamten Ablaufs nach sich und die Laufzeit des Abrechnungsprozesses verlängert sich. Im Klinikalltag zeigt sich ein solches Vorkommnis z.B., wenn die Aufnahmediagnose erst nach der Entlassung systemisch erfasst wird. Ohne den Eintrag der Diagnose kann die Bestimmung der DRG nicht abgeschlossen werden und die Bearbeitung ruht derweil.
Der Patient im Fokus des Behandlungspfades
Im Ergebnis der Prozessoptimierung wird ein ganzheitlicheres Verständnis über die organisationsweiten, gar intersektoralen Prozessstrukturen gewonnen. Zusätzlich werden Entscheidungsgrundlagen geschaffen, um
- eine gezieltere Versorgung und Verwaltung zu gestalten,
- die patientenspezifischen Kosten zu senken und
- die Patientenzufriedenheit zu steigern.
Grundsätzlich eröffnet Process Mining Einrichtungen das Potenzial, sowohl im Interesse der Patienten, des Managements wie auch der Ärzte, nachhaltig Mehrwerte zu schaffen.
Hier erfahren Sie, wie Process Mining im Detail an einem Praxisbeispiel funktioniert und wie Sie es für sich nutzen können.
Dieser Auszug ist im HCM Magazin, 10. Jg., 03/2019 erschienen. Gern senden wir Ihnen den vollständigen Artikel kostenfrei im PDF-Format per E-Mail zu. Schreiben Sie uns einfach eine kurze E-Mail.
Wie die Notaufnahme eine flexible Organisation wird (Teil 2/2)
Der strukturelle Wandel der zentralen Notaufnahme stellt Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Mittels Process Mining konnte das Evangelische Diakonissenkrankenhaus Leipzig konkrete Maßnahmen erarbeiten, die eine Steigerung der Patientensicherheit weiterhin gewährleisten kann.
In den vergangenen Jahren sahen sich die Zentralen Notaufnahmen (ZNA) der Republik mit einem maßgeblichen Wandel an Beanspruchung konfrontiert. Die Notaufnahme, ursprünglich als erster Kontaktpunkt für medizinische Notfälle konzipiert, steht nun als niedrigschwellige, ganzheitliche stets ubiquitär verfügbare Versorgungsstelle im konstanten Abruf der Patienten. Diese Diskrepanz stellt die ZNA vor unerwartete strukturelle Herausforderungen. Das Evangelische Diakonissenkrankenhaus Leipzig hat sich diesen gestellt und 2015 begonnen, die vorhandene Big Data softwaregestützt mittels Process Mining auszuwerten und daraus resultierend konkrete Maßnahmen zum strukturellen Wandel ergriffen. Frühzeitig hat man hier erkannt, dass eine durchgehende IT-seitige Prozessbegleitung der Behandlungsabläufe essenziell ist, um eine Steigerung der Patientensicherheit vollumfänglich zu gewährleisten und die Behandlungseffizienz patientenzentriert zu gestalten. Folglich werden alle vorgenommenen Prozessschritte vollständig elektronisch automatisiert erfasst oder dokumentiert und strukturiert in einem System zentral evaluiert. Die Digitalisierung aller Versorgungsschritte ist somit die Grundlage für tiefergehende Analysen und daraus formulierten prozessualen Optimierungsmaßnahmen.
Die IT-gestützte klinische Triage
Der Handlungsbedarf bei der Restrukturierung der Organisation der ZNA war evident und prädestinierte sie für eine Analyse und Optimierung der Behandlungsabläufe. Erste strukturelle Ergebnisse konnten bereits mit der systemischen Einführung der Triage erreicht werden. Dabei erfolgte eine methodisch komplette Neuentwicklung der Notaufnahmedokumentation nach den entsprechenden Vorgaben und Empfehlungen der Fachgesellschaften. Dies bereits mit Blick auf die relevanten Qualitätsindikatoren. Die Triage ist formgebend für die systematische klinische Dokumentation der Patientendaten und ermöglicht eine Einschätzung des Patientenaufkommens für jeden Patienten seiner Behandlungsdringlichkeit nach, bestimmt anhand eines identifizierten Leitsymptoms. Diese wurde in enger Abstimmung mit der IT infrastrukturell etabliert. Daraus resultierten bereits messbare Verbesserungen des Behandlungsprozesses sowie organisatorische und strukturelle Effekte wie die Anpassung der Personalstruktur in Echtzeit und eine qualitative Verbesserung der Daten, dank der erleichterten Eingabe.
Big Data als objektive Entscheidungsgrundlage
In Vorbereitung auf die Analyse der Behandlungsprozesse bedarf es der Identifikation und Extraktion der prozessrelevanten Daten. Das Evangelische Diakonissenkrankenhaus Leipzig kann dabei auf die IT-Infrastruktur von Cerner Medico zugreifen, die es ihm erlaubt die erfassten Datensätze zentralisiert abzulegen. Auf dieser Datenbasis erfolgt die Auswertung der Datenbanken mittels des Process Mining Tools, welches ermöglicht, den gesamten IT-seitig erfassten Behandlungsprozess zu visualisieren und in Echtzeit auf definierte Cluster oder auch Einzelfälle hin zu betrachten. Somit ist die für die Auswertung relevante Fragestellung, das entscheidende Stellglied auf dem Weg zur Optimierung der Prozesse und zur Validisierung von Zielen im Hinblick auf patientenzentrierte Notfallbehandlung. Es können daher konkrete Daten aus den Analysen gewonnen werden, welche die Reliabilität der Prozessschritte darstellen können.
Dieser Auszug ist im HCM Magazin, 10. Jg., 7-8/2019 erschienen. Gern senden wir Ihnen den vollständigen Artikel kostenfrei im PDF-Format per E-Mail zu.
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